Keine halben Sachen (Antje Herden)

Inhaltsangabe

Eines Tages trifft der 15-jährige Robin mit Leo zusammen und von da an ändert sich sein bisher eher missfälliges Leben gänzlich. Er beginnt Drogen zu nehmen, schwänzt die Schule und verliebt sich auch noch in ein Mädchen, welches ihn zu einem LSD-Trip anregt. Nach einem Streit mit der Mutter kommt er durch einen Sprung von einem Dach fast ums Leben. Plötzlich ist auch Leo, der stets bei ihm war, ist nicht zu finden. Warum dies der Fall ist, das deckt der Roman auf.

Robin ist generell ein eher bescheidener Neuntklässler. Zudem ist er ein Einzelgänger, dem alles so oder so nicht genug scheint und welcher mit sich selbst besonders unzufrieden ist. Eines Tages trifft er auf Leo, der in fast jeder Beziehung das Gegenteil von Robin ist. Leo ist selbstsicher und auch cool. Daher verbringen die beiden von da an viel Zeit miteinander. Leo trinkt jedoch immer Matetee, aber er bietet Robin auch mal an, einen Joint zu versuchen. Mit Leo an der Seite fühlt sich Robin immer befreiter und so verachtet er auch die schulischen Aufgaben und hängt mit Goajungs die ganze Zeit ab. Er kifft, raucht, nimmt auch Ecstasy oder zieht sich eine Linie Kokain durch seine Nase. Zudem ist er gierig nach Neuen und fühlt sich hierbei auch schön, klug, stark und selbstbewusst. Beim „Herunterkommen“ nach dem Konsum von Drogen fühlt er sich dann aber jedes Mal krank und schwach, also trinkt und schnieft er immer weiter. Seine Mutter, welche schon seit Wochen mit ihrer an Krebs erkrankten Freundin beschäftigt ist, bekommt von diesem Verhalten des Sohnes dann erst etwas mit, als dieser nach einem versuchten Betrug von der Polizei direkt zu Hause abgeliefert wird. Misslich ist hierbei auch, dass Robins erstes Mal mit Anna mehr als daneben geht. Im Anschluss treibt Robin es doch lieber mit der interessanten Karla in einem alten abrissreifen Haus, wo sich die beiden aus Schlafsäcken und Matten ein Lager angefertigt haben. Karla ist es dann, die Robin mit der Idee kontrastiert, LSD zu versuchen. Zu Anfang wehrt er sich aber noch dagegen, doch ‚aus reiner Liebe – und gegen den Rat seines Freundes Leo – lässt er sich auf den Trip ein. Das Ergebnis ist jedoch unheilvoll. Als er nach einer verzweifelten Horrorvorstellung wieder besser denken kann, ist seine Freundin Karla verschwunden und zuhause wartet schon die Mutter auf ihn. Hierbei kommt es zu einem heftigen Streit und Robin steigt völlig betrunken auf ein Dach und stürzt auf die Straße hinunter. Erst einige Tage später wacht er dann wieder in einem Krankenhaus auf. Anna und die Mutter sind dort, geben ihm schrittweise wieder neuen Lebensmut. Nur Leo interessiert das Schicksal von Robin hier nicht. Doch auf der Suche nach dem Freund macht Robin eine außerordentlich merkwürdige Entdeckung.

Die Pubertätsphase ist für einen großen Teil der Teenager eine zumeist sehr anstrengende Zeit des Ausprobierens, der Veränderungen und auch des Umbruchs. Zum Glück verläuft diese eher selten derart schlimm, wie dies in dem Roman „Keine halben Sachen“ verdeutlicht wird. Auf bedenklich bildhafte Weise erfährt hier der Leser der Hauptfigur Robin, die die Wirkungen sich bei Alkohol- und Drogenexzessen, beim Kiffen oder auch mit Ecstasy und dem Verzehr von LSD einstellen. Auch die detaillierte, in die Einzelheit gehende Darstellung des Trips durch LSD und die ängstigenden Wirkungen – akustische und optische Horrorvorstellungen, Halluzinationen, eine geraffte oder gedehnte Zeitwahrnehmung – erstreckt sich in dem Buch über viele Seiten:

Die Beschreibungen zeigen durchaus besonders realistisch und auch drastisch die Abgründe von Drogentrips auf. Die Bitterkeit, mit welcher hier die Entwicklung vom beginnenden Alkohol- und Nikotingenuss über ‚weichere‘ Drogen bis zu einem LSD-Trip den freien Lauf nimmt, wird in diesem Roman in aller Entschlossenheit dem Leser erklärt. Hierbei wird indessen auch nicht außer Acht gelassen, dass ein gewissermaßen gutes Gefühl, das hiermit einhergehende Selbstachtung und die Coolness möglicherweise nur von kurzer Dauer sind und erste kleine Zweifel an der persönlichen Verhaltensweise lediglich durch einen neuen Drogen- und Alkoholkonsum zum Schweigen gebracht werden können. Dieser interessante Roman zeigt auf diese Weise die mehrdeutigen Facetten einer langsam beginnenden Rauschmittelabhängigkeit, ohne den Konsum von Drogen zu verherrlichen. Durch die derart drastische Darstellung der Gefahren kann eine Nachahmung bei den jungen Lesern wenigstens weitgehend beschränkt werden.

Kritisch wird zum auch das Verhalten in den zwischenmenschlichen Bezügen und auch dem sexuellen Begehren erklärt. So reflektiert Robin angemessen am Schluss des Buches, dass für ihn momentan nahezu nur die Sexualität hierbei im Vordergrund gestanden hat und von Liebe in einem verbundenen Sinne nicht gesprochen werden kann. Diese erfährt der Junge erst nach dem Absturz.
Hier lächelt er und dankt Anna, dass sie jeden Tag da war und ihm geholfen hat.

Die letzte Erklärung für eine Existenz des verdächtigen Leo deutet sich hierbei auch gelegentlich bereits zwischen den Zeilen dem Leser an, kommt aber dennoch besonders unterschiedlich an. Da sie nicht ausdrücklich, sondern periphrastisch erfolgt, ist diese auch nicht so ohne weiteres beim ersten Lesen her verständlich, da bestimmte psychische Kenntnisse hierfür nötig sind. Hier sei jedoch auch darauf hingewiesen, dass die gebrauchte literarische Sachlage musischer Freiheit entspringt, allerdings aus psychiatrisch-medizinischer Sicht in hohem Maße eher unwahrscheinlich ist und absolut auf derartige Weise heute nicht in der realen Welt vorkommt. Dass Robins ausschweifender Handlungsweise wie auch stets eigene psychiatrische Motive zugrunde gelegt worden sind, bedeutet indessen nicht, dass der Roman für „gewöhnliche“ Leserinnen und Leser keinerlei Bedeutsamkeit aufweist. Denn diese passende Problematik dürfte, obwohl gewöhnlich in erforderlich schwächerer Ausprägung, doch für einen großen Satz pubertierender Jungen besonders zutreffend sein.

Fazit

Der Roman „Keine halben Sachen“ befasst sich bedeutend mit den vielen pubertätsbedingten Problemen von männlichen Heranwachsenden. Das Buch ist aus Sicht des männlichen und jungen Protagonisten Robin geschrieben und eignet sich deshalb auch besonders für Jungen ab einem Alter von 15 Jahren. Das Buch bietet sich auch gut an als Grundlage zur Diskussion zum Thema Sucht und Drogen in der höheren Mittelstufenklasse und auch in der Oberstufe an. Aufgrund der bislang übersteigerten Aufführungen, die allein mit Robins psychischer Auffälligkeit fundiert werden, ist es in jedem Fall erstrebenswert, wenn den jungen Lesern hier die Möglichkeit geboten wird, das Thema mit versierten erwachsenen Partnern zu diskutieren.